Schon kurz nach Beginn der Recherchen waren zahlreiche Unregelmäßigkeiten ersichtlich. Insbesondere war deutlich zu erkennen, dass die Soltecture GmbH über keinerlei Erfolgsaussichten verfügte. Entsprechend wurden einige Verantwortliche, darunter mehrere Gesellschafter, die Deutsche Bank und die Investitionsbank Berlin (IBB), ab Juni 2009 über die Rechercheergebnisse und wichtige Schlussfolgerungen unterrichtet.
Bis Januar 2011 wurden die Mitteilungen nicht beanstandet. Dann jedoch sah sich die Leitung Soltectures offenbar auf Drängen der Deutschen Bank veranlasst, die Wiederholung bestimmter Aussagen gerichtlich verbieten zu lassen. Beanstandet wurden jedoch nur Aussagen aus vier Briefen an die Deutsche Bank, das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und die Berliner Senatsverwaltung. Zahlreiche weitere Schreiben wurden nicht beanstandet, da den Empfängern sehr wohl bewusst war, dass die Mitteilungen tatsächlich nicht zu beanstanden waren.
Auch der beantragte Streitwert von insgesamt 160.000 Euro zeigt deutlich, dass es der Firmenleitung nur darum ging, einen sachverständigen Hinweisgeber mundtot zu machen und nötigenfalls wirtschaftlich zu ruinieren.
Ebenfalls eindeutig ist die Rechtslage. Bei kritischen Äußerungen über ein Unternehmen muss der Kontext berücksichtigt werden. Sind die Aussagen einem größeren Zusammenhang entnommen und besteht ein öffentliches Interesse, so dürfen einzelne Aussagen grundsätzlich nicht als unwahre Tatsachenbehauptungen gewertet werden. Es versteht sich von selbst, dass in einem Rechtsstaat über Unternehmen, die wie Soltecture ihre Existenz ausschließlich der Förderung durch die öffentliche Hand zu verdanken haben, uneingeschränkt diskutiert werden darf. Lediglich die Grenze zur Schmähkritik ist zu beachten.
Entsprechende Schreiben an Behörden sind als priviligierte Mitteilungen noch weitreichender geschützt, da der Rechtsstaat ein großes Interesse daran hat, dass engagierte Bürger wichtige Sachverhalte zur Kenntnis geben.
Das Landgericht Berlin meinte jedoch, dies anders sehen zu können, und setzte sich kurzerhand über das geltende Recht sowie die ständige und höchstrichterlich bestätigte Rechtsprechung hinweg. Insgesamt wurden 24 Aussagen als angeblich unwahre Tatsachenbehauptungen beanstandet und deren weitere Äußerung untersagt.
Anlass waren zwei Schreiben an die Deutsche Bank vom 3.8.2010 und 29.12.2010. Die Mitteilungen waren im Interesse der Deutschen Bank und konnten von dieser leicht überprüft werden. Dennoch wurden die Briefe der Leitung Soltectures wahrscheinlich mit der Aufforderung zugespielt, gegen den Absender vorzugehen. Daraufhin beantragte die Leitung Soltectures am 2.2.2011 eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Berlin. Dem Gericht wurden nur die Anschreiben, nicht jedoch die beigefügten umfangreichen Anlagen vorgelegt. Die Anschreiben waren außerdem manipuliert worden, um einen bestimmten Eindruck zu erwecken und das Gericht zu täuschen. Die Vorgehensweise der Antragsteller ist selbstredend als Prozessbetrug zu betrachten.
Das Landgericht Berlin ordnete dennoch schon am 4.2.2011 angeblich wegen besonderer Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung an, dass die folgenden oder im Wesentlichen sinngleichen Aussagen Dritten gegenüber nicht getätigt werden dürften:
Nr. | Aussage |
1 | Firmenleitung und Gesellschafter der Antragstellerin hätten sich nachweislich mehrfach rechtswidrig verhalten, |
2 | das rechtswidrige Verhalten der Firmenleitung und Gesellschafter solle mit dem Ziel eines betrügerischen Börsengangs der Angtragstellerin vertuscht werden, |
3 | die Antragstellerin habe seit Gründung im Jahre 2001 kein einziges Planungsziel erreicht, |
4 | die ursprünglich am Hahn-Meitner-Institut entwickelte Technologie der Antragstellerin sei nicht leistungs- und konkurrenzfähig, |
5 | die Firmenleitung der Antragstellerin täusche die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Gegebenheiten, |
6 | die Organisation der Antragstellerin sei kaum leistungs- und entwicklungsfähig, |
7 | die leitenden Mitarbeiter der Antragstellerin seien weitgehend unerfahren, |
8 | die Geschäftsleitung der Antragstellerin dulde und betreibe selbst Günstlingswirtschaft, |
9 | die Geschäftsleitung der Antragstellerin habe einen Prozessbetrug begangen, |
10 | die Geschäftsleitung der Antragstellerin habe eine öffentliche Behörde unwahr informiert, |
11 | die Antragstellerin habe weder kurz- noch langfristig Chancen, die Gewinnzone zu erreichen. |
Gegen die Verfügung vom 4.2.2011 wurde Widerspruch erhoben, der erstinstanzlich in einer Verhandlung am 13.4.2011 erörtert wurde. Von einer rechtsstaatlich einwandfreien Verhandlung kann jedoch keine Rede sein. Der vorsitzende Richter war offensichtlich bemüht, der Leitung Soltectures zu helfen, eine Unterlassungserklärung zu erlangen. Das Gericht übte erheblichen Druck aus. Der Verfügungsgegner wurde unbegründet bedroht und beschuldigt. Es wurde jedoch weder hier noch in den anderen Fällen eine Unterlassungserklärung unterzeichnet.
Der Verhandlungsverlauf wurde protokolliert und dem Landgericht Berlin vorgelegt.
Anlass war ein vierseitiges Schreiben an den Leiter des PVcomB Rutger Schlatmann vom 10.1 2011 mit sechs Anlagen. Die Leitung Soltectures beantragte am 3.3.2011 die Untersagung von neun Aussagen, die dem Schreiben entnommen worden waren. Die Anlagen wurden dem Gericht wiederum vorenthalten.
Das Landgericht Berlin ordnete am 7.3.2011 angeblich wegen besonderer Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung an, dass die folgenden oder im Wesentlichen sinngleichen Aussagen Dritten gegenüber nicht getätigt werden dürften:
Nr. | Aussage |
12 | Die Antragstellerin sei nicht in der Lage, eine Technologie zur Serienfertigung von Solarmodulen zu entwickeln; die Antragstellerin verfüge hierfür über kein entsprechend qualifiziertes Personal, |
13 | die Antragstellerin verfüge über keine Anlagen zur Herstellung von Dünnschicht-Solarmodulen auf CIGSe-Basis (Selentechnologie), |
14 | die PVcomB hätte als Technologielieferant für Selenanlagen fungiert, |
15 | die Antragstellerin befinde sich in einer geschäftlichen Misere, |
16 | die PVcomB sei ausschließlich gegründet worden, um der Antragstellerin aus ihrer geschäftlichen Misere herauszuhelfen, |
17 | im Zusammenhang mit dem Aufbau und der Tätigkeit der PVcomB seien erhebliche öffentliche Mittel nicht bestimmungsgemäß, sondern zu Gunsten der Antragstellerin verwendet worden, was einen Subventionsbetrug bzw. Untreue darstelle, |
18 | Herr John Kessler und die Firma 44solar fungiere nur als Strohmann, um die tatsächliche Herkunft der CIGSe-Technologie zu verschleiern, |
19 | die Firma Intel Capital habe ihre Kapitalbeteiligung an der Antragstellerin von der Errichtung des PVcomB abhängig gemacht, |
20 | die Antragstellerin habe Fördermittel des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie weitere öffentliche Mittel nicht zweckentsprechend verwendet. |
Anlass war ein zusammenfassendes Schreiben vom 30.11.2011 an die zu der Zeit neu ins Amt berufene Berliner Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz. Mit dem Schreiben sollte die Senatorin in dieser Sache ins Bild gesetzt werden. In dem Schreiben wurde auch auf umfassende Recherchen des Fachmagazins Photon seit Januar 2011 hingewiesen.
Das Schreiben wurde von der Berliner Senatsverwaltung rechts- und pflichtwidrig der Leitung Soltectures wahrscheinlich mit der Aufforderung zugespielt, gegen den Absender vorzugehen. Daraufhin beantragte die Leitung Soltectures am 6.1.2012 eine einstweilige Verfügung. Die vier dem Anschreiben beigefügten Anlagen wurden dem Gericht wiederum vorenthalten.
Das Landgericht Berlin ordnete nach einer mündlichen Verhandlung am 2.2.2012 an, dass die folgenden oder im Wesentlichen sinngleichen Aussagen Dritten gegenüber nicht getätigt werden dürften:
Nr. | Aussage |
21 | bei den von der Verfügungsklägerin produzierten Solarmodulen sei bereits nach kurzer Betriebszeit ein fortschreitender Leistungsverlust festzustellen, |
22 | der Leistungsverlust bei Solarmodulen der Verfügungsklägerin sei auf einen prozessbedingten Schwefelüberschuss zurückzufühgen, |
23 | die Solarmodule der Verfügungsklägerin seien als Ausschuss zu betrachten, |
24 | die Verfügungsklägerin habe nie geplant, eine CIS-Technologie mit Schwefel und Gallium in der Serienfertigung einzusetzen. |
Diese Verfügung wurde nur kurze Zeit vor der Insolvenz Soltectures am 9.5.2012 erlassen. Zu dem Zeitpunkt hatte die Firmenleitung auf Druck der Fachzeitschrift Photon schon einige geschädigte Betreiber entschädigt, deren Solaranlagen nach nur kurzer Betriebszeit sehr deutliche Leistungseinbußen zu verzeichnen hatten.
Es besteht sachlich kein Anlass, die genannten Aussagen zu relativieren oder etwa zurück zu nehmen. Vielmehr haben die laufenden Recherchen die schon früh festgestellten Sachverhalte mittlerweile weiter bestätigt.
Inzwischen sind einige der beanstandeten und verbotenen Aussagen unter anderem in Schreiben an die Deutsche Bank wiederholt worden. Alle Bekräftigungen der recherchierten Sachverhalte sind jedoch weder beantwortet noch beanstandet worden.
Wenn alle oben genannten Aussagen nach umfangreichen Recherchen in einem Fall von großem öffentlichen Interesse tatsächlich gerichtlich Verboten werden dürften, dann könnte man Deutschland sicher nicht als Rechtsstaat bezeichnen. Die meisten der beanstandeten Aussagen sind ohnehin auch isoliert betrachtet leicht als zulässige Meinungsäußerungen zu erkennen. Hinzu kommen zahlreiche Beweise, die die Aussagen belegen und den beanstanden Briefen auch teilweise beigefügt waren
Die Sachverhalte sollten jedem Jurastudenten im ersten Semester und erst recht jedem Volljuristen und Richter geläufig sein. Auch die unredliche Motivation der Antragstellerin war unmittelbar ersichtlich. Entsprechend hätte das Landgericht Berlin den Anträgen der Soltecture GmbH keinesfalls stattgeben dürfen.
Umso erstaunlicher ist, dass das Landgericht Berlin den drei Anträgen in der Sache tatsächlich vollumfänglich stattgegeben hat. Das Gericht hat sich damit wie ein Serivcedienstleister verhalten, der jedem Anliegen eines Kunden einlfertig nachzukommen sucht. Die Leitung Soltectures hätte ein Verbot der Aussage "die Erde sei rund" verlangen können, das Landgericht Berlin hätte wohl auch diesen Wunsch erfüllt.
Auch angesichts der Verhandlung vom 13.4.2011 bleibt daher nur die Schlussfolgerung, dass es sich hier um Rechtsbeugung in 24 Fällen handelt.
2.9.2013 / Letzte Änderung: