HT-CIGS war ein Forschungsvorhaben des BMU im Bereich der erneuerbaren Energien. Damit sollte die Weiterentwicklung einer schwefelbasierten Dünnschichttechnologie zur Herstellung von Solarmodulen gefördert werden. Basis war die von Soltecture seit 2003 entwickelte CIS-Technologie. Außerdem wurden in dem Zusammenhang das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und die Universität Oldenburg mit Bundesmitteln bedacht.
Die Laufzeit des Projekts war vom 1.10.2010 bis 30.9.2012, mit der Überwachung und Evaluation hatte das BMU den Projektträger Jülich (PtJ) beauftragt. Ziel des Projekts war die Steigerung der "mittleren CIGS-Modulleistung in der Produktion". Dazu sollte der Absorberstruktur bestehend aus Kupfer, Indium und Schwefel mit Gallium ein viertes Element hinzugefügt werden.
Es ist klar ersichtlich, dass die Mittel sicher nicht zweckentsprechend eingesetzt worden sind.
Mit einer Pressemitteilung vom 16.2.2011 berichtete Sulfurcell über einen angeblichen Rekordwirkungsgrad von 12,6 Prozent, der mit einer selenbasierten Technologie erzielt worden sein soll. Über weitere Entwicklungsvorhaben wird in dieser Mitteilung nicht berichtet.
Die Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH hat jedoch noch eine zweite Version dieser Pressemitteilung verbreitet, die inzwischen im Internet entfernt worden ist. In dieser Mitteilung wird außerdem über das Projekt HT-CIGS berichtet:
Auch das Forschungsprojekt „HT CIGS – Entwicklung von Cu(In,Ga)S2-Dünnschichtsolarmodulen“, bei dem Sulfurcell mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg kooperiert, soll die Leistung der Dünnnschichtmodule steigern und die Herstellungskosten senken. „CIGS“ steht in diesem Falle für eine Verbindung aus Kupfer, Indium, Gallium und Schwefel. In ihren Materialeigenschaften ist sie den Verbindungen aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen ähnlich. Doch im Gegensatz zum Schwefel ist Selen teuer, und die Selenisierung gilt auch technisch als knifflig.
Mit dem Projekt „HT-CIGS“ wollen die Forscher den Beschichtungsprozess unter Einsatz von Kupfer, Indium, Gallium und Schwefel erstmals in der Produktion auf einer normal großen
Modulfläche etablieren und stabilisieren. Erfahrungen aus dem Labor, die auf kleiner Zellfläche gewonnen wurden, sollen in die Fertigung übertragen werden. Mit knapp 13 Prozent Wirkungsgrad hält
das HZB bereits den Weltrekord für Solarzellen, die auf dem selenfreien Material basieren. Nun soll der Wirkungsgrad auf über 14 Prozent gesteigert werden. Zudem wollen die Wissenschaftler
geeignete, schnelle Prozesskontrollen entwickeln und an die industrielle Produktion anpassen. Das Forschungsprojekt soll perspektivisch dazu beitragen, die Wettbewerbssituation von Solarmodulen
„Made in Germany“ zu verbessern. Es wird vom Bundesumweltministerium (BMU) mit 1,5 Millionen Euro gefördert. (Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH,
15.2.2011)
Damit wurde behauptet, dass Sulfurcell mit dem HZB kooperierte und angeblich an mehreren anspruchsvollen
Entwicklungsvorhaben gleichzeitig gearbeitet hat. Dabei wird Selen als "teuer" und die Selenisierung als "knifflig" bezeichnet. Der Vortrag ist selbstredend abenteuerlich. Sulfurcell war schon
personell nicht in der Lage, eine Serienfertigung in Betrieb zu nehmen und gleichzeitig an mehreren weiteren Technologien zu arbeiten. Die Firma hat noch nicht einmal über eine eigene Testlinie
verfügt und später sogar bestritten, mit der eigens vom HZB eingerichteten Arbeitsgruppe PVcomB zusammen gearbeitet zu haben.
Im Fall des Projekts HT-CIGS wird außerdem verschwiegen, dass nur eine Wirkungsgradsteigerung in der Produktion um 10 Prozent auf etwa 5,5 bis 8 Prozent erwartet wurde.
Schon kurz nach Beginn der Untersuchungen 2009 wurde ersichtlich, dass der von Soltecture favorisierte Ansatz einer sequentiellen schwefelbasierten Technologie grundsätzlich untauglich war. Die wesentlichen Sachverhalte sind in einer Zusammenfassung dargelegt und dokumentiert.
Schon kurz nach Beginn der Vermarktung erster Modudule wurden Qualitätsprobleme reklamiert. Mehrere Vertriebspartner verweigerten bis 2010 die Abnahme der mangelhaften Ware. Nach intensiver Intervention der Fachzeitschrift PHOTON wurden alle bis Ende 2011 ermittelten Geschädigten entschädigt. Eine solche Massnahme kurz vor der Insolvenz eines Unternehmens ist sicher ungewöhnlich und dürfte auch die Gläubiger und den Insolvenzverwalter interessieren.
Es versteht sich von selbst, dass es unsinnig ist, einen derartigen technologischen Ansatz weiter zu verfolgen oder dessen Weiterentwicklung mit öffentlichen Mitteln zu fördern.
Selbst wenn eine ausreichende Qualität hätte sichergestellt werden können, wären die Solarmodule nicht konkurrenzfähig gewesen. Soltecture rechnete selbst mit einer Wirkungsgradsteigerung von etwa 10 Prozent (Jahresabschluss 2008).
Die Leistung verkaufsfähiger Module wäre damit also von etwa 5 bis 7,5 Prozent auf maximal 5,5 bis 8,25 Prozent gesteigert worden. Es ist auf Anhieb zu erkennen, dass derart kleine und leistungsschwache Module nicht hätten konkurrenzfähig sein können.
Spätestens 2006 war allen Verantwortlichen klar, dass der schwefelbasierte Ansatz untauglich war und auch keine wesentliche Verbesserung durch die Zugabe von Gallium erreicht werden konnte. Deshalb wurde spätestens 2007 die Abkehr vom Element Schwefel innerhalb der Absorberstruktur beschlossen. Es ist belegt, dass zunächst eine weitere sequentielle CIGSe-Technologie in Zusammenarbeit mit der Firma Centrotherm entwickelt werden sollte. Auch im Geschäftsbericht 2008 wies Soltecture darauf hin. Im Lagebericht erklärte die Geschäftsleitung:
c) Forschung und Entwicklung: [...] Auch die Arbeit an selenhaltigen Solarzellen hatte erste konkrete Ergebnisse: Nach einer Marktrecherche gelang es Sulfurcell-Entwicklern,
die Technologie für eine erste Anlage festzulegen, mit der Solarmodule auf der Basis von Kupfer-Indium-Gallium-Selenid hergestellt werden sollen. (Sulfurcell, Jahresabschluss zum
Geschäftsjahr 2008)
Das Fachmagazin PHOTON, das mit Olga Papathanasiou auch eine HZB-Absolventin und ausgesprochene Expertin für das Sulfurcell-Verfahren in der Redaktion beschäftigte, berichtete schon Anfang 2009 von der geplanten Umstellung des Produktionsverfahrens:
Doch bereits 2011, wenn die Endkapazität von 75 Megawatt erreicht sein soll, werden die Module vermutlich keinen Schwefel mehr enthalten. (Ines Rutschmann, Sulfurcell bald ohne Sulfur?, PHOTON März 2009)
Es ist naheliegend, dass die Redakteurinnen Rutschmann und Papathanasiou den Artikel besprochen, wenn nicht sogar gemeinsam erarbeitet haben.
Die Zeitschrift Neue Energie berichtete in der Ausgabe Dezember 2009 unter dem Titel "Schwefel ade" entsprechend.
Im Mai 2011 wurde die schon lange beschlossene Abkehr von schwefelhaltigen Dünnschichtmodulen auch durch die Änderung des Firmennamens bestätigt. Der Hinweis auf die Verwendung von Schwefel (Sulfur) wurde durch die Namensänderung von Sulfurcell in Soltecture eliminiert.
Spätestens 2010 hatte man bei Soltecture auch erkannt, dass die bis dahin favorisierte sequentielle Vorgehensweise grundsätzlich nicht erfolgversprechend sein konnte. Wie in der Typologie unterschiedlicher Herstellungsverfahren ersichtlich ist, gilt die sequentielle Vorgehensweise im Vergleich mit Koevaporationsverfahren als unterlegen. Der Einsatz von Schwefel in einem Koverdampfungsverfahren ist außerdem unüblich und möglicherweise überhaupt nicht möglich. Entsprechend teilte Sulfurcell in einer Pressemitteilung vom 6.9.2010 mit:
CIGSe-Technologie birgt großes Potential. [...] Um dieses Potential zu heben, orientiert sich Sulfurcells CIGSe-Prozess an den Koverdampfungsprozessen, wie sie zur Herstellung dieser Rekordzellen eingesetzt werden, [...].
Auch der Kooperationspartner Centrotherm hatte spätestens 2010 den Versuch der Entwicklung einer sequentiellen CIS-Technologie eingestellt. Es ist offensichtlich, dass Soltecture nach der Beendigung der Zusammenarbeit mit Centrotherm versucht hatte, zumindest den Anschein zu erwecken, statt einer sequentiellen schwefelfreien Technologie nun ein Koverdampfungsverfahren entwickelt zu haben.
Es ist offensichtlich, dass die angebliche Förderung des Projekts HT-CIGS vom 1.10.2010 bis 30.9. 2012 unsinng war. Die Mittel sind sicher nicht zweckentsprechend verwendet worden. Bei Soltecture arbeitete man spätestens ab 2007 mit Hochdruck an einer selenbasierten Alternative, um die schon lange defizitäre und in ihrer Existenz bedrohte Firma zu retten.
Schon ab Januar 2011 war das BMU umfassend auf verschiedene Unregelmäigkeiten hingewiesen worden. Mit einem Schreiben vom 30.11.2011 wurde die Ansprechstelle für Korruptionsvorsorge des BMU ausdrücklich auf das Projekt HT-CIGS und die oben genannten Sachverhalte hingewiesen. Das BMU reagierte darauf brüsk und unsachlich. Schließlich antwortete das BMU mit einem Schreiben des Justitiariats im Auftrag des Bundesumweltministers. In dem Drohbrief wurde mitgeteilt:
Herr Bundesminister hat Ihre Schreiben vom 23.12.2011 und 13.1.2012 zur Beantwortung an das Justitiariat weiter geleitet. Ihre Ansicht, dass das BMU in kriminelle Machenschaften
verwickelt sei, entbehrt jeder Grundlage und wird entschieden zurück gewiesen. Ich fordere Sie dringend auf, von weiteren Aussagen solcher Art Abstand zu nehmen.
(Bundesumweltministerium, Brief, 31.1.2012)
Es stellt sich die Frage, warum das BMU eigens eine Ansprechstelle für Korruptionsvorsorge eingerichtet hat, wenn sachverständige Bürger, die entsprechende Mitteilungen machen und umfassend belegen, dafür juristisch bedroht werden.
29.5.2013 / Letzte Änderung: 13.2.2014